Seit einigen Jahren kann man es bei jeder Fussball-WM aufs Neue beobachten, dass Anhänger verschiedener Staaten und Nationen ihrer Freude oder Trauer über den Sieg oder die Niederlage ihres Teams gerne durch exzessives Schwenken der Nationalflagge Ausdruck verleihen. Ja, in der Tat, die Flagge erlebt eine Reinkarnation der besonderen Art. Denn wo es früher angebracht oder sogar notwendig war, durch ein Banner oder eine Flagge seine Identität kundzutun oder sich zu einer bestimmten Gruppierung als zugehörig zu kennzeichnen, da ist es heute kaum mehr denn ein reines Freizeitvergnügen, das weniger aus einer intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen nationalen Kultur und einer Identifikation mit den Errungenschaften derselben ist, als vielmehr eine schlichte aus dem Spielfeld in den Alltag getragene Begeisterung für eine Fussballmannschaft, die eine Nation im Rahmen eines spielerischen Wettstreits und einer sportlichen Auseinandersetzung vertritt.
Bestimmt ist es erfreulich, dass nationale Unterschiede auf diese faire, reglementierte Art und Weise zelebriert werden können, sozusagen als Ersatz für Rivalitäten außerhalb des Sports. In gewissem Sinne sind auch diese Flaggen, die zu der „fünften Jahreszeit“ einer WM geschwenkt werden, in Zweck und Inhalt, nichts weiter als Werbefahnen, die farbenfroh für die Vorzüge einer Nation werben. Das ist jedoch nicht weiter verwerflich, solange unter der Anhängerschaft nicht in den direkten Vergleich mit anderen Nationen tritt und sich plötzlich miteinander vergleicht. Vergleiche sind allein auf dem Rasen statthaft und auch dort nur sofern sie sportlichen Charakters sind. Die nächste Weltmeisterschaft kommt bestimmt und schon jetzt können sich die Anhänger aller Fussballnationen Gedanken darüber machen, wo die Begeisterung für eine Sportart endet und eine ungesunde Rivalität zwischen Kulturen beginnt.
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