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Autor: Karl- Heinz Schabmüller
Datum: 07.05.2007
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Adelsresidenzen in Paris

„Hôtel“ – Dieser Begriff bezog sich im Französischen lange Zeit keineswegs auf eine Herberge oder ein Gasthaus, ganz im Gegenteil! Seit dem Mittelalter wird so das exklusive Stadthaus einer einzelnen Familie bezeichnet; bis in das 17. Jahrhundert war der Terminus im Gegensatz zu den „Maisons“ der Bourgeoisie einzig den Residenzen von Hof, Hochadel und hohen Geistlichen vorbehalten (zum Beispiel dem Hôtel de Cluny). Erst um 1660 nahm der Begriff seine noch heute gültige französische Bedeutung an und ist seither nicht mehr von den Bewohnern der Gebäude, sondern vielmehr von ihrer architektonischen Struktur abhängig. Die Bedeutung, die das Wort auch im Deutschen trägt, kam erst später hinzu.
Baustruktur/ Pläne/ Architektonische Prinzipien
Nicht ganz so prunkvoll wie ein Palast, aber auch nicht zurückhaltend wie ein einfaches Haus, entsprechen die Anlagen der „Hôtel Particuliers“ dem hohen Rang ihrer einstigen Besitzer. Hinter vielen relativ schlichten Fassaden kann man in Paris wahre Miniaturausgaben königlicher Paläste und Landhäuser entdecken! Im Inneren waren einige ehemals sogar mit Kapellen, Schmieden oder Bäckereien ausgestattet und dementsprechend (wirtschaftlich) unabhängig. Der Wohnbereich war dabei im deutlichen Unterschied zu den Bürgerhäusern räumlich von der Straße getrennt, dennoch waren die Residenzen zumeist in die lebendigsten Straßenzüge und Platzanlagen eingegliedert und hatten damit Teil am Stadtleben.
Schon im Mittelalter begann die Aristokratie mit dem Bau von Stadtresidenzen, die mit den stark restaurierten Hôtels de Sens und Cluny allerdings kaum authentisch erhalten sind. Das Hôtel de Carnevalet (1545-1548) als eines der wenigen erhaltenen Beispiele des 16. Jahrhunderts hingegen vermittelt einen Eindruck früher französischer Renaissancearchitektur. Hier festigte sich ein Bautypus, der besonders im 17. Jahrhundert viele Nachfolger in Paris fand, aber auch über die Stadt- und Landesgrenzen hinweg: An den Haupttrakt, den sogenannten Corps de Logis, schließen sich symmetrisch zwei Seitenflügel an. In diesen befanden sich beispielsweise die Privaträume des Herrn und der Dame des Hauses, die dann gleichberechtigt auf die beiden Flügel verteilt waren. In anderen Fällen lagen die Wohnräume im meist zweigeschossigen Haupttrakt, bevorzugt mit Blick auf den dahinterliegenden privaten Garten. In den Flügeln befanden sich dann die repräsentativen, offiziellen Räumlichkeiten, eventuell mit einer Galerie. Die Seitenflügel schließen den Ehrenhof (Cour d’honneur) ein, der als das vielleicht wichtigste Erkennungsmerkmal eines Hôtels dienen kann. Dieser kann zur Straße mit einer einfachen Schutzmauer abschließen, oder, wie im Fall des Hôtel Carnevalet, mit den Wirtschaftsräumen (Küche, Stallungen, etc.). Zunächst noch Teil des Haupttraktes, versuchte man bald diese funktionellen Bestandteile - mitsamt dem Gesinde - räumlich so weit als möglich auszugliedern. Ähnlich verhält es sich mit den Bürgern: Selbst heute noch wird der gewöhnliche Passant von der architektonischen Schönheit der betont privaten Bauten ausgeschlossen. Außen ist (zumindest bei den früheren Bauten) oft nur das relativ unauffällige, wenngleich große, Eingangsportal („Porte cochère“) sichtbar. Als zeitgenössischer Schmuck ziert es heute häufig eine Überwachungskamera.
Vom hier skizzierten Typus wurde natürlich vielfach abgewichen, je nach Terrain, ökonomischen Voraussetzungen und stilistischen Vorlieben. Mit der Zeit befreite sich die Aufteilung der Räume zusehends von starren Formvorgaben. Als Grundtypus kann man dennoch den des „Hôtel entre cour et jardin“ festhalten, der auch bei stark variierender Größe der Anlagen mehrheitlich beibehalten wurde: Man denke nur an den Palais de Luxembourg, den Witwensitz der Maria de Medici, oder das Palais Bourbon, den heutigen Parlamentssitz. Auch im „Grand Siècle“ (17. Jahrhundert) hielt man sich an eher traditionelle Pläne und baute nur selten „à l’italienne“, ungeachtet des sich verbreitenden Rufes der zeitgenössischen römischen oder genuesischen Entwürfe.
Karl- Heinz Schabmüller
www.khs.fr
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