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Autor: Florian Schrupp
Datum: 26.01.2013
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Berufsbild Rechtsanwalt

Das Anwaltbild des Durchschnittsbürgers erschöpft sich meist in Klischees und schlimmstenfalls in Polemiken. In den 90er Jahren dachte man an die heldenhaften Wahrheitssucher aus John-Grisham-Romanen oder die neurotisch-liebenswerten, ständig mit spannenden Fällen konfrontierten Jungadvokaten aus „Ally McBeal“. Heutzutage assoziiert man eher „blutsaugende“ Abmahnkanzleien oder Staatsanwälte, die Massenmörder verteidigen müssen, über die man mit moralisch überlegenem Kopfschütteln sagen kann: „Sowas würde ich doch für kein Geld der Welt machen.“ Dass der Anwaltberuf oft mit hohen Honoraren in Verbindung gebracht wird, hat sich nicht verändert. Das Vorurteil, dass sich junge Frauen zum Jura-Studium einschreiben, nicht um einen Abschluss, sondern um eine gute Partie zu machen, ist sicherlich nicht komplett von der Hand zu weisen.

Diese Ambivalenz des Anwaltsbildes basiert auf der völligen Neutralität des Berufsbildes gegenüber eigenen Werten und Neigungen. „Parteiliche Interessenvertretung“ heisst die primäre Aufgabe eines Rechtsanwalts. Der Anwalt vertritt unabhängig von eigenen Interessen seinen Mandanten in allen Rechtsangelegenheiten. Ein Blick in die Etymologie erläutert dieses Verhältnis. Der Advokat (lateinisch: „advocatus“) ist der Herbeigerufene. Ein Mandant („mandare“ = anvertrauen) ist derjenige, der ihn mit einer Aufgabe betraut. Entsprechend bezeichnet Mandat („mandatus“) das, was übergeben oder anvertraut wurde.

In Gerichtsprozessen haben Anwälte zusätzlich die Aufgabe, den Richter bei der Urteilsfindung zu unterstützen. Ihrem Berufseid gemäß fungieren sie als „unabhängige Organe der Rechtspflege“. Nicht immer besteht die Arbeitsumgebung des Anwalts aus einer protzigen Büromöbel Sammlung einer privaten Anwaltskanzlei. Viele sind in Wirtschafts- und Buchprüfungsgesellschaften oder den juristischen Abteilungen unterschiedlichster Unternehmen angestellt oder arbeiten freiberuflich. Letzteres empfiehlt sich allerdings eher für Anwälte, die sich bereits eine gewisse Reputation, einen finanziellen Grundstock und einen festen Mandantenkreis aufgebaut haben. Auch diverse Organisationen und Verbände beschäftigen Anwälte in Rechtsabteilungen. Ein Jurist, der seinen Beruf nicht mehr praktisch ausüben will, hat zudem die Möglichkeit, an Anwaltsakademien zu dozieren.
Die Berufszulassung zum Rechtsanwalt ist staatlich reglementiert und setzt eine Ausbildung zum Volljuristen und die Befähigung zum Richteramt voraus. Das Studium der Rechtswissenschaften, das von den meisten deutschen Universitäten angeboten wird, schließt man mit der ersten Staatsprüfung ab, an die sich das Referendariat (der Vorbereitungsdienst) anschließt, das mit dem zweiten Staatsexamen abgeschlossen wird.

Anschließend wird man von der Rechtsanwaltkammer des jeweiligen Bezirkes, in dem man sich niederlassen möchte, zugelassen und in das dortige Rechtsanwaltsverzeichnis aufgenommen. Voraussetzung ist der Abschluss einer speziellen Anwaltsversicherung, die für etwaige Beratungsfehler haftet. Per Diensteid verpflichtet sich der neue Rechtsanwalt zur Wahrung der verfassungsgemäßen Ordnung sowie zur gewissenhaften Erfüllung seiner Berufsaufgaben. Wenn man die Zulassung einmal von der Rechtsanwaltskammer erhalten hat, wird sie nur in den wenigsten Fällen wieder entzogen. Dies kann höchstens bei Überschuldung und groben Verstößen gegen das Berufsrecht geschehen.

In Deutschland arbeiteten im Jahr 2012 knapp 160.000 Anwälte, was einem Verhältnis von einem Anwalt pro 500 Einwohner entspricht. Eine Zulassungsbeschränkung besteht nicht. Dies führte dazu, dass übermäßig viele Schulabgänger sich aufgrund der lukrativen finanziellen Aussichten für ein rechtswissenschaftliches Studium entscheiden. Aufgrund dieses Zustandes haben sich die Berufschancen für Junganwälte drastisch verschlechtert. Wenn man keine herausragende Examensnote oder Zusatzqualifikationen wie ein spezialisiertes Aufbaustudium oder eine Promotion aufzuweisen hat, sind die Einstellungschancen eher ungünstig. Diejenigen, die es schaffen, in den Dienst einer Großkanzlei zu treten, können mit einer Vergütung von bis zu 140.000 Euro im Jahr rechnen, wohingegen in vielen kleinen Kanzleien Dumpinglöhne und obligatorische Überstunden an der Tagesordnung sind.

Für einen langfristigen Vertrag und ein sicheres Gehalt bietet sich eine Beamtenstelle als Staatsanwalt an. Neben der Ausbildung zum Volljuristen ist für Anwärter eine Befähigung zum höheren allgemeinen Verwaltungsdienst erforderlich. Der Staatsanwalt leitet die Verfahren in strafrechtlichen Ermittlungen, die auch Vorverfahren genannt werden. Er erfasst den von der Polizei ermittelten Tatbestand juristisch und kann ein Verfahren einstellen, Anklage erheben oder einen Strafbefehl beantragen. Wer spannende Kriminalfälle bevorzugt, ist als Staatsanwalt am nächsten an der Praxis und begutachtet in vielen Fällen Beweisgegenstände oder sogar Tatorte. Bei überdurchschnittlich guter Führung ist ein Aufstieg zum Oberstaatsanwalt möglich, dem der einfache Staatsanwalt unterstellt ist.

Nicht zwangsläufig muss man mit einem Jurastudium Anwalt werden. Für diejenigen, denen eine Umgebung mit normalen Büromöbeln lieber ist als der Anwaltsstuhl im Gerichtssaal, besteht die Möglichkeit, als Notar oder Rechtspfleger im höheren Dienst zu arbeiten.

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